"Die Überlegenheit der Franken"

2014 – Schule und Bildung heute

Gegenwärtig ist die Schullaufbahn in der Mehrzahl der 16 Bundesländer in eine vierjährige Primarstufe, eine fünf- bis sechsjährige Sekundarstufe I und eine zwei- bis dreijährige Sekundarstufe II unterteilt. Die Bundesländer Berlin und Brandenburg haben die Primarstufe mit der sechsjährigen Grundschule um zwei Jahre verlängert. Die Schulpflicht beginnt einheitlich mit dem Alter von sechs Jahren und erstreckt sich auf neun Jahre beziehungsweise zehn Jahre in Berlin, Brandenburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen.
Ausgehend von diesen Strukturen ist das allgemeinbildende Schulsystem in sich vielgestaltig und in unterschiedliche Schultypen ausdifferenziert. Der Primarbereich ist vergleichsweise einheitlich und umfasst die Klassen eins bis vier. Die Sekundarstufe I mit den Klassen fünf bis neun beziehungsweise fünf bis zehn gliedert sich in unterschiedliche Schultypen. Hauptschule, Realschule und Gymnasium sind Schulen mit jeweils einem Bildungsgang. Gesamtschule, Mittelschule, Regelschule, Sekundarschule, Verbundene Haupt- und Realschule, Integrierte Haupt- und Realschule, Regionale Schule und Erweiterte Realschule sind Schulen mit mehreren Bildungsgängen, die entweder integrativ oder additiv angeboten werden. Die Hauptschule umfasst die Klassen fünf bis neun, in Berlin, Brandenburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen die Klassen fünf bis zehn, und vermittelt eine grundlegende allgemeine Bildung mit Orientierung auf eine anschließende Berufsausbildung. Die Realschule erstreckt sich auf die Klassen fünf bis zehn und vermittelt eine erweiterte allgemeine Bildung mit Wahlpflichtfächern, die unterschiedliche Schwerpunktsetzungen in den Naturwissenschaften, im technischen Bereich oder den neueren Fremdsprachen zulassen. Das Gymnasium umfasst die Klassen fünf bis dreizehn, beziehungsweise fünf bis zwölf, und vermittelt eine vertiefte allgemeine Bildung, die auf ein Hochschulstudium vorbereiten soll. Am Ende der Klasse zehn wird der mittlere Bildungsabschluss (Realschulabschluss) erworben und zugleich die Berechtigung zum Übergang in die gymnasiale Oberstufe oder Sekundarstufe II. Schulen mit mehreren Bildungsgängen existieren in kooperativer und integrierter Form. Kooperative Gesamtschulen etwa fassen mehrere Schultypen unter einem Dach zusammen. Die Schülerinnen und Schüler werden im Klassenverband nach Schultyp getrennt unterrichtet. Integrative Gesamtschulen unterrichten alle Kinder gemeinsam und differenzieren in den Kernfächern im Rahmen eines Kurssystems auf unterschiedlichen Leistungsebenen.
Die Sekundarstufe II schließlich umfasst die Oberstufe an Gymnasien oder Gesamtschulen mit den Klassen elf bis dreizehn. Seit 2004 hat sich diese Unterteilung in den meisten Bundesländern durch die Einführung des verkürzten achtjährigen gymnasialen Ausbildungsgangs (G8) um ein Jahr verschoben: Die Sekundarstufe I umfasst hier die Klassen fünf bis neun, die Sekundarstufe II die Klassen zehn bis zwölf. Vorreiter bei der Schulzeitverkürzung waren die östlichen Bundesländer sowie Bayern und Baden-Württemberg, die die gymnasiale Oberstufe ebenfalls generell verkürzt haben und die Erlangung der Allgemeinen Hochschulreife nach zwölf Schuljahren vorsehen. Die übrigen Länder bieten die Möglichkeit, das Abitur nach zwölf oder dreizehn Jahren zu erreichen. Bis 2016 sollte die Reform abgeschlossen sein und die Gymnasialzeit generell acht Jahre betragen. Allerdings hat anhaltende Kritik an der Verkürzung dazu geführt, dass einige Länder die neunjährige Gymnasialzeit beibehalten.
Die Mehrzahl der Bundesländer sieht eine sogenannte Orientierungsstufe in den Klassen fünf und sechs vor, um den Schülerinnen und Schülern die Entscheidung zwischen den Schulformen (Gymnasium, Realschule und Hauptschule) zu einem späteren Zeitpunkt zu ermöglichen und so die Durchlässigkeit des dreigliedrigen Schulsystems zu erhöhen. Bei allem Festhalten an der Mehrgliedrigkeit des Schulsystems mit einer im internationalen Vergleich frühen Differenzierung hat sich der Anteil der Abiturienten am jeweiligen Altersjahrgang seit der Bildungsexpansion in der Bundesrepublik von 11 Prozent im Jahr 1970 auf 29 Prozent im Jahr 2005 erhöht. Betrachtet man den Anteil der Studienberechtigten (einschließlich Fachhochschulreife) an der 18- bis 20-jährigen Bevölkerung insgesamt, so lag er im Jahr 2005 bei 43 Prozent; im Jahr 2012 stieg der Anteil auf rund 49 Prozent. Die Bildungsbeteiligung ist also deutlich angewachsen, und zwar auch in den Schichten, die traditionell als „bildungsfern“ gelten. Mit dieser Bildungsexpansion ist jedoch kein Ausgleich der Bildungschancen verbunden, die Abstände zwischen den verschiedenen Schichten bleiben vielmehr relativ konstant. Die schichtübergreifend wachsende Bildungsbeteiligung ist vielmehr Folge von Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und in den Familien, aber auch Folge der Bildungsexpansion selbst, die zu einer Inflation der Bildungsabschlüsse geführt hat, welche die Nachkommenden zu wiederum vermehrten Bildungsanstrengungen zwingt. Als Verlierer in diesem Wettlauf erscheinen gegenwärtig vor allem die Kinder von Migranten, die seit den 1980er Jahren einen wachsenden Anteil an der Schülerschaft stellen.
Es gibt kein staatliches Schulmonopol, das heißt neben den staatlichen öffentlichen Schulen, die von Gemeinden, Gemeindeverbänden oder Bundesländern getragen werden, gibt es – neuerdings vermehrt – Schulen in privater oder kirchlicher Trägerschaft. An den öffentlichen Schulen herrscht Schulgeldfreiheit. Die Privatschulen sind grundgesetzlich geschützt und werden als Ersatzschulen oder Ergänzungsschulen bezeichnet je nachdem, ob sie den öffentlichen Schulbesuch gänzlich ersetzen oder nur ergänzen. Sie bedürfen der Genehmigung durch den Staat, werden dann aber gegenüber den öffentlichen Schulen auch in ihren Abschlüssen als gleichwertig anerkannt und finanziell unterstützt.
Ausgehend von der Rahmengesetzgebung des Bundes, für die das Bundesbildungsministerium zuständig ist, entscheiden die Kultusministerien der Länder über die Strukturen des Schulwesens, die Lehrpläne sowie die Ausbildung, Einstellung und Finanzierung der Lehrer. Die Kontrolle über diese „inneren Schulangelegenheiten“ übernehmen die Schulaufsichtsbehörden der Bundesländer. Den Städten und Gemeinden obliegt als Schulträgern die Kontrolle der „äußeren“ Schulangelegenheiten wie Bau und Erhalt von Schulgebäuden sowie Einstellung und Finanzierung des nicht-lehrenden Personals. Die Schulen selbst verfügen nach wie vor nur über begrenzte Entscheidungskompetenzen, obwohl die Stärkung der Schulautonomie in haushaltsrechtlicher und personalrechtlicher Hinsicht wiederholt gefordert worden ist, um die Leistungsfähigkeit der einzelnen Schulen zu verbessern. Die „Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung“ und die „Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder“ dienen als ständige Gremien für den bildungspolitischen Austausch im föderalen System.
Die Kultusministerien der Länder entscheiden über die Zulassung von Lehrbüchern für den Gebrauch an allgemeinbildenden Schulen in einem aufwändigen Prüfungsverfahren. Da alle Bundesländer eigene Lehrpläne entwickeln, erhält ein Schulbuch die Genehmigung zum Unterrichtsgebrauch für jedes Bundesland separat. Für Lehrwerke der Sekundarstufe II gibt es in vielen Bundesländern keine Zulassungspflicht. Die Kultusministerien des Saarlands, Berlins und Schleswig-Holsteins verzichten inzwischen vollständig auf die Zulassung einzelner Lehrwerke. Möglicherweise deutet sich hier eine allgemeine Tendenz der Kultusministerien an, von der Zulassungspflicht abzugehen. Über die tatsächliche Einführung von Schulbüchern im Unterricht entscheiden die Lehrer zunächst auf Fachkonferenzen und anschließend beraten die Schulkonferenzen, an denen auch Elternvertreter beteiligt sind.
Das mäßige Abschneiden des deutschen Schulsystems im internationalen Vergleich hat die Notwendigkeit seiner Modernisierung offengelegt. Anstelle einer umfassenden Bildungsreform, die im deutschen Bildungsföderalismus nur schwer durchsetzbar erscheint, sind von einigen Ländern Einzelinitiativen gestartet worden. So wurden Lehrpläne überarbeitet und reduziert, Schulen erhielten größere Gestaltungsspielräume, eine verstärkte Qualitätskontrolle mit zentralen Abschlussprüfungen und einheitlichen Lernzielen, sogenannten Bildungsstandards, wurde eingeführt oder es wurden Veränderungen in der Lehrerbildung eingeleitet. Darüber hinaus zielen inhaltliche und didaktische Reformen des Unterrichts auf größere Selbständigkeit der Schüler und vernetztes, problemorientiertes Denken.

Susanne Grindel
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