Die europäische Hauptstadt Paris

Volltext

[S. 189] IV. Die Zeit Napoleons III. von 1852-1866.
§134
Frankreich und seine Verbündeten.

1. Napoleons Kaisertum (1852-1870). Napoleon III. verdankte seine Erhebung zum guten Teil nur den wieder mächtig gewordenen Erinnerungen an Napoleon „den Großen“. Um so eifriger war er darauf bedacht, das zweite Kaiserreich sowohl in den inneren Einrichtungen wie in den Angelegenheiten der auswärtigen Politik als eine Erneuerung des ersten erscheinen zu lassen. Für den Entgang an Rechten und Freiheiten sollte die Nation durch materielle Vorteile und durch Kriegsruhm entschädigt werden. In der Tat hob Napoleon während der ersten zehn Jahre seiner Regierung Frankreichs Ansehen in solchem Grade, dass es abermals zu einer Art Vorherrschaft in Europa gelangte. Auch diesmal kam dem Kaiser der Franzosen wieder die Ohnmacht Deutschlands, namentlich die Gegnerschaft zwischen Preußen und Österreich, zustatten.
Die Hauptstadt Paris wurde unter der Leitung des Stadtpräfekten Haussmann vergrößert und verschönert, mit neu angelegten Straßen durchzogen und nach allen Richtungen des Landes mit Eisenbahnen verbunden. Industrie und Handel blühten auf; zur ersten Pariser Weltausstellung 1855, ebenso zu der des Jahres 1867 strömten die Völker aus allen Ländern herbei, um die Fortschritte und den allgemeinen Wohlstand Frankreichs zu bewundern. Mehr als je war Paris nicht nur der Mittelpunkt der europäischen Politik sondern auch der Hauptsitz des Kapitalismus, des Luxus und der Mode geworden; in letzter Beziehung gab vor allem die stolze Kaiserin Eugenie, eine Tochter des spanischen Grafen Montijo, mit dem Tuilerienhofe das gebieterische Vorbild.
Von den industriellen Unternehmungen Frankreichs war die glänzendste die Anlage des Suezkanals (durch Lesseps) in den Jahren 1859-1869; von den wissenschaftlichen Arbeiten der Zeit verdient die unter Napoleons eigenem Namen veröffentlichte „Geschichte Julius Cäsars“ besondere Erwähnung.