Europäische Expansion in der Frühen Neuzeit

1940 – Schule im Nationalsozialismus

Die schulpolitischen Maßnahmen der Nationalsozialisten folgten keinem geschlossenen Konzept. Gleichwohl waren die Eingriffe in das Schulwesen von zwei Motiven gekennzeichnet: der Vermittlung der nationalsozialistischen Weltanschauung an die Heranwachsenden und der Zurückdrängung des schulischen Einflusses zugunsten der außerschulischen Erziehung im Rahmen der Staatsjugend.
Die Zentralisierung und Gleichschaltung im Schulwesen begann mit der Übernahme der schulpolitischen Kompetenzen durch das 1934 gegründete „Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung“. Die Länderministerien wurden zu ausführenden Organen herabgestuft und der staatliche Einfluss auf das Schulwesen wurde noch einmal ausgebaut. Privatschulen, vor allem die Schulen in kirchlicher Trägerschaft, wurden immer stärkeren Beschränkungen unterworfen, wie das Reichserziehungsministerium überhaupt bestrebt war, den kirchlichen Einfluss im Schulwesen auszuschalten.
Das dreigliedrige System mit Volksschulen, Mittelschulen und höheren Schulen blieb erhalten. 1936 wurde der Kursus der höheren Schulen von neun auf acht Jahre verkürzt. Zwei Jahre später, 1938, erfolgte eine radikale Vereinheitlichung aller bestehenden Typen höherer Schulen. Als „Hauptform“ galt fortan die „Oberschule für Jungen“ mit einem sprachlichen und einem naturwissenschaftlichen Zweig, die mehr als vier Fünftel der höheren Schüler besuchten. Analog dazu entstand die „Oberschule für Mädchen“ mit einem sprachlichen und einem hauswirtschaftlichen Zweig. Das altsprachliche Gymnasium blieb als „Sonderform der höheren Schule“ bestehen, allerdings reduzierte sich seine Schülerzahl um fast zwei Drittel.
Den spezifisch nationalsozialistischen Charakter der Schulpolitik verdeutlichten die Auslese- und Eliteschulen. In ihnen sollten zehn- bis 18jährige Jungen und später auch Mädchen zu parteitreuen Führungskräften ausgebildet werden. Als künftige Elite sollten sie den Nationalsozialsozialismus rassisch, körperlich und geistig repräsentieren, die NS-Herrschaft absichern und über die Grenzen des Reiches hinaus ausdehnen. 1933 entstanden für diesen Zweck die „Nationalpolitischen Erziehungsanstalten“ (Napola) als staatliche höhere Schulen unter der Aufsicht des Reichserziehungsministeriums. Für Mädchen wurden später eigene Napola gegründet. Rassenideologie, vormilitärische Ausbildung und parteipolitische Linientreue prägten die Erziehungsinhalte. Die Absolventen waren für Positionen in Reichswehr, Staatsverwaltung und Partei vorgesehen.
Noch stärker unter der Aufsicht der NSDAP standen die „Adolf-Hitler-Schulen“. Sie entstanden 1937 als Parteischulen für 12- bis 18jährige Jungen und unterstanden nicht dem Reichserziehungsminister, sondern dem Reichsjugendführer. Rechtlich und finanziell waren sie von der Partei abhängig. Ungeachtet ihrer sozialen Herkunft und zunächst auch ihrer geistigen Fähigkeiten sollten die Jungen zu NS-Führungskadern ausgebildet werden. Bald setzte sich jedoch die Überzeugung durch, dass Führung nicht ausschließlich auf körperlichen Voraussetzungen aufbauen konnte und so wurde mehr Wert gelegt auf Lehrinhalte, die mit denen an regulären höheren Schulen vergleichbar waren. Quantitativ gesehen fielen die NS-Auslese- und Eliteschulen kaum ins Gewicht, an ihnen wurde nur etwa ein Prozent der Abiturienten unterrichtet.
Das Gesetz zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 wurde zu einem Instrument, missliebige Pädagogen aus sogenannten rassischen und ideologischen Gründen aus dem Schuldienst zu entfernen und die im Amt verbliebenen Lehrer zu disziplinieren und einzuschüchtern. Auch die Schülerschaft an höheren Schulen wurde diszipliniert. Durch das Gesetz gegen die „Überfüllung der deutschen Schulen und Hochschulen“, ebenfalls im April 1933 erlassen, wurden Schülerinnen und Schüler im Sinne der rassistischen Ideologie überprüft. Jüdische Schüler wurden ausgegrenzt, Mädchen von höheren Bildungsanstalten tendenziell verdrängt.
Der nationalsozialistische Staat nutzte die Schule als Instrument weltanschaulicher Indoktrination. Dies galt besonders für die Unterrichtsfächer Deutsch, Geschichte und Erdkunde. Gerade diese Fächer waren schon in der Weimarer Republik national ausgerichtet, und Lehrpläne, Fächerstrukturen und Lehrmaterialien der Weimarer Zeit blieben zunächst auch unverändert. Erst 1937/38 wurden neue Richtlinien für den Primar- und Sekundarbereich herausgegeben. Bis dahin wurden die bisherigen Inhalte durch Erlasse im nationalsozialistischen Sinne überformt – mit starker Betonung von Vererbungslehre, Rassenkunde, germanischer Frühgeschichte und Sport. Selbst ideologisch unanfälligere Fächer wie Mathematik blieben nicht unbeeinflusst von der rassistischen Weltanschauung und der durchgängigen Politisierung aller Unterrichtsinhalte.
Die schulische Erziehung stand unter permanentem Druck durch die staatliche Hitlerjugend, die der Schule ihren traditionellen Vorrang im Bereich öffentlicher Erziehung streitig machte. Konflikte mit Lehrern und Kollisionen zwischen HJ-Dienst und Unterrichtszeiten wurden geradezu institutionalisiert, um den Anspruch der HJ auf die Sozialisation der Heranwachsenden zu untermauern.
Charakteristisch für das Schulwesen im Nationalsozialismus blieb das Nebeneinander von inhaltlichen und institutionellen Kontinuitäten zur Weimarer Zeit und vielfach miteinander konkurrierenden oder wenig aufeinander abgestimmten Eingriffen. Dabei vermischten sich sozialrevolutionäre Vorstellungen von Chancengleichheit, aus der Jugendbewegung übernommene Konzepte (Führung und Gemeinschaft) und reformpädagogische Ideen (praktisches Lernen durch Erleben in der Gemeinschaft) mit vormilitärischer Ertüchtigung, rassistischer Weltanschauung und völliger staatlicher Vereinnahmung der Jugend.
Susanne Grindel
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