Habsburgs europäische Herrschaft

Texte intégral

[S. 163] § 54 II. Eingreifen der weltlichen Gewalt seit 1521
unter Kaiser Karl V. (1519-1556).

1. Karl V. und seine Stellung. Die Anfänge der neuen religiösen Bewegung waren noch in die Regierungszeit des Kaisers Maximilian gefallen. Dieser soll, anders als Leo X., der kunstliebende Mediceer auf dem päpstlichen Throne, dem "Mönchsgezänk" nicht ohne Aufmerksamkeit zugesehen haben. Nach seinem im Januar 1519 erfolgten Tode schwankte die Kaiserwahl einige Zeit zwischen Franz I. von Frankreich und Karl I. von Spanien, einem Enkel Maximilians. Doch siegte der letztere.
König Karl I, als Deutscher Kaiser Karl V. geheißen, war seiner nationalität und Erziehung nach mehr Spanier als Deutscher. In den überlieferten Anschauungen aufgewachsen, hielt er an dem Gedanken eines christlichen Universalkaisertums fest, das ihm nur in der Verbindung mit der ungeteilten Einheit der Papstkirche denkbar war.

Karls Doppelherrschaft. Karl V. war männlicherseits rechtmäßiger Erbe der österreichischen und der burgindischen Herrschaften, von weiblicher Seite aber [S. 164] Erbe Spaniens samt dessen italienische und außereuropäischen Besitzungen. In seinem Reiche ging, wie er gesagt haben soll, die Sonne nicht unter. Allein gerade die ungeheure Ausdehnung und die Entlegenheit der von ihm beherrschten Länder, für die er im Westen und Süden gegen die Franzosen, im Osten gegen die Türken kämpfen musste, hinderten ihn an einer nachhaltigen Geltendmachung der kaiserlichen Gewalt in Deutschland. Dadurch wurde aber der Fortschritt der kirchlichen Neuerungen erleichtert und begünstigt.